Im zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis hatten Arbeitnehmenden bisher Anspruch auf eine zeitlich begrenzte Lohnfortzahlung für die Betreuung und Pflege eigener Kinder, der Ehegattin, des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners, nicht aber für die Betreuung von Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern, Eltern oder Geschwistern.
Ein Erwerbsersatz für länger dauernde Arbeitsabwesenheiten aufgrund eines akut entstandenen Betreuungs- und Pflegebedarfs bei eigenen Kindern gab es bisher nicht. Die Eltern waren nach Ausschöpfung der Lohfortzahlungsansprüche auf Ferienbezug, Kompensation von Arbeitszeit oder unbezahlten Urlaub angewiesen oder sahen sich zur Aufgabe der Stelle gezwungen.
Im Arbeitsgesetzes (ArG) ist festgehalten, dass der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses Urlaub für die Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung zu gewähren habe. Der Urlaub ist auf die für die Betreuung erforderliche Dauer begrenzt, beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis. Ausser bei Kindern beträgt der Betreuungsurlaub insgesamt höchstens zehn Tage pro Jahr (Art. 36 Abs. 3 und 4 ArG).
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung während der Beurlaubung zur Betreuung von Angehörigen richtet sich nach den Bestimmungen des Obligationenrechts (OR). Die Arbeitnehmenden haben demgemäss Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub beträgt allerdings höchstens drei Tage pro Ereignis und insgesamt höchstens zehn Tage pro Jahr (Art. 329h OR).
Ungeklärt ist noch, ob der jährliche Maximalanspruch in einem unvollständigen Dienstjahr nur anteilsmässig besteht, d.h. ob z.B. der Arbeitnehmer, der am 1. Juli ins Unternehmen eintritt, Anspruch auf bezahlten Betreuungsurlaub von bis zu fünf Tagen hat oder ob ihm der Maximalanspruch von zehn Tagen zusteht. Die hier vertretene Meinung geht dahin, dass sich der jährliche Maximalanspruch pro rata reduziert.
Als Familienmitglieder gelten Verwandte in auf- und absteigender Linie, d.h. die eigenen Eltern und Kinder (als Kinder gelten diejenigen Personen, zu denen ein Kindesverhältnis im zivilrechtlichen Sinne besteht) sowie Geschwister. Auch dazu gehören die Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und Partner, die Schwiegereltern sowie die Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, mit denen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt.
Weiter ist gefordert, dass der oder die Angehörige gesundheitlich beeinträchtig ist. Der Begriff wurde bewusst so weit gefasst und soll nicht nur Krankheit und Unfall einschliessen, sondern auch Fälle, in denen beispielsweise eine Behinderung vorliegt.
Die Betreuung durch den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin muss ausserdem notwendig sein. Die Notwendigkeit hängt vor allem von der Verfügbarkeit anderer möglicher Betreuungspersonen und vom Betreuungsbedarf ab. So dürften kleine Kinder wohl grundsätzlich einen höheren Betreuungsbedarf haben wie beispielsweise Jugendliche.
Die Arbeitnehmenden sind für die anspruchsbegründenden Umstände beweispflichtig. Der Nachweis wird wohl auch künftig durch die Vorlage eines entsprechenden Arztzeugnisses erbracht werden.
Gemäss Botschaft des Bundesrates stellt sich das Verhältnis der neuen Bestimmung (Art. 329g OR) zu Artikel 324a OR folgendermassen dar: Der dreitägige Urlaub erfolgt unabhängig von Artikel 324a OR. Das hat insbesondere zur Folge, dass die Voraussetzungen nach Artikel 324a OR nicht gelten, etwa die Verhinderung des Arbeitnehmers oder das jährliche Abwesenheitskontingent. Einer Person steht es jedoch frei, bei gegebenen Voraussetzungen Urlaub über ihr Kontingent nach Artikel 324a OR zu beziehen, ohne den Urlaub nach Artikel 329h OR anzubrechen. Das wird vor allem dann der Fall sein, wenn Kinder, die Ehegattin oder der Ehegatte betreuungsbedürftig sind, da sie unter beide Bestimmungen fallen. Insbesondere Personen mit mehreren Kindern könnten sich gestützt auf Artikel 324a OR um sie kümmern, ohne die nach Artikel 329h OR vorgesehenen maximal zehn Tage auszuschöpfen. Hierfür müssen aber die Anspruchsvoraussetzungen nach Artikel 324a OR erfüllt sein. Artikel 324a OR lässt sich auch geltend machen, wenn der dreitägige Urlaub bereits bezogen worden ist, sofern die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt werden und vor allem das jährliche Kontingent noch nicht aufgebraucht ist. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung gemäss Artikel 324a Abs. 2 OR besteht im ersten Dienstjahr für drei Wochen und anschliessend für eine angemessene längere Zeit. Was angemessen bedeutet, ist abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen. In der Praxis dienen die sogenannten Basler, Berner oder Zürcher Skalen zur Bestimmung der Länge der Lohnzahlungspflicht.
Arbeitnehmende haben ab dem 1. Juli 2021 gemäss dem künftigen Artikel 329i E-OR Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von höchstens 14 Wochen, wenn und soweit sie Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung nach den Artikeln 16i – 16m Erwerbsersatzgesetz (E – EOG), weil ihr Kind wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist.
Hinweis: Die Nummerierung der Artikel des E-EOG wurde aus der von der Bundesversammlung vom 20. Dezember 2019 verabschiedeten Vorlage übernommen; sie wird sich bei Inkraftsetzung der Bestimmungen voraussichtlich noch einmal ändern.
Anknüpfungspunkt für das Eltern-Kind-Verhältnis bildet das Kindesverhältnis nach Artikel 252 des Zivilgesetzbuches (ZGB). Der Zivilstand der Eltern ist dabei unerheblich.
Gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist ein Kind, wenn eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist; der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist; ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht; und mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss (Art. 16j E- EOG).
Der Betreuungsurlaub soll auch gewährt werden, wenn nur ein Elternteil erwerbstätig ist oder wenn ein Elternteil oder beide Eltern Teilzeit arbeiten. Wenn beide Eltern erwerbstätig sind, wird der Betreuungsurlaub grundsätzlich paritätisch auf beide Elternteile aufgeteilt, d. h. sie erhalten je sieben Wochen. Den Eltern soll aber die Möglichkeit offenstehen, eine abweichende Aufteilung miteinander zu vereinbaren. Diese Vereinbarung ist ausreichend, um die Aufteilung zu ändern. Der Arbeitgeber muss die Änderung nicht genehmigen. Er wird gemäss Absatz 3 aber darüber informiert. So ist gewährleistet, dass beide Elternteile gleichermassen zu ihrem Recht kommen und es nicht zum Bezug von insgesamt mehr als 14 Wochen kommt. Der Urlaub kann am Stück oder tageweise bezogen werden. Es soll auch möglich sein, dass die Eltern ihren Anteil am Urlaub gleichzeitig beziehen
Für den Bezug des Betreuungsurlaubs gilt eine Rahmenfrist von 18 Monaten, innert welcher der Urlaub am Stück oder tageweise bezogen werden kann. Diese Rahmenfrist beginnt mit Bezug des ersten Taggelds und gilt für beide Elternteile, unabhängig davon, wie sie sich den Urlaub aufteilen. Vorm Gesetzgeber vorgesehen ist, dass beide Elternteile je maximal sieben Wochen beziehen, wobei die Eltern eine abweichende Aufteilung vorsehen können (Art. 16k und Art. 16l E- EOG).
Die Bemessung der Betreuungsentschädigung erfolgt nach den im E-EOG geltenden Regeln. Das Taggeld beträgt 80 Prozent des vorangegangenen Lohnes und ist durch einen Höchstbetrag beschränkt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Urlaub tageweise oder am Stück bezogen wird (Art. 16m E-EOG).
Während des Betreuungsurlaubs gilt ein Sperrfristenschutz von sechs Monaten, der mit Beginn des Urlaubanspruchs zu laufen beginnt und während dieser Zeit das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden darf (Art. 336c Abs. 2 lit. cbisE-OR). Dies führt zu praktischen Herausforderungen, weil die Sperrfrist für beide Elternteile zum gleichen Zeitpunkt zu laufen beginnt, unabhängig davon, wie sie sich den Urlaub aufteilen. Damit kann es sein, dass ein Elternteil den Betreuungsurlaub zu einem Zeitpunkt bezieht, da der Sperrfristenschutz bereits nicht mehr gilt.
Die Abwesenheit aufgrund des Bezugs eines Betreuungsurlaubes wird in Bezug auf die Kürzung der Ferien dem Mutterschafts- und auch dem Vaterschaftsurlaub gleichgestellt. Bezieht eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer einen Betreuungsurlaub, dürfen die Ferien nicht gekürzt werden (Art. 329b Abs. 3 lit. c E-OR).
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